Mittwoch, 18. Mai 2016

Berner Oberland (Schweiz): Top of Europe - im wahrsten Sinne



 


„Da möchte ich noch mal hin“, dachte ich, als mir ein Album mit Urlaubsfotos aus meiner Kindheit in die Hände fiel. Im Winter ging es jedes Jahr nach Grindelwald im Berner Oberland. An meinen ersten Urlaub dort konnte ich mich nicht erinnern, denn ich war erst 10 Monate alt.

Als ich das Fotoalbum durchblätterte, kamen mir jedoch Erinnerungen an spätere Urlaube in Grindelwald. Es waren Erinnerungen, die alle Sinne einbezogen: Ich sah das Chalet am Terrassenweg, in dem wir immer wohnten, hörte das Glockenläuten der Kühe, die im Winter in den Ställen standen und roch die klare Luft der Berge. Ich fühlte die Kälte des Schnees in meinen Händen, wenn ich Schneebälle formte und ich schmeckte den Schokoriegel mit den kleinen Mandelstückchen, den mein Vater mir immer in dem kleinen Bauernladen kaufte.

„Da möchte ich noch mal hin“, schoss es mir beim Blättern wieder durch den Kopf, „aber dieses Mal im Sommer.“

Gesagt, getan, reiste ich also im Sommer nach Grindelwald. Wenn man nicht mit dem Auto anreisen möchte, gibt es eine andere angenehme Möglichkeit: einen Flug bis Zürich und von dort aus mit der Schweizer Bahn ca. 2 ½ Stunden nach Grindelwald. Ab Interlaken beginnt der Zug, teilweise zahnradbetrieben, den Anstieg und die Berge kommen näher.
 

Entführung in die idyllische Schweizer Bergwelt

In Grindelwald angekommen, machte ich mich auf die Spuren meiner Kindheit:  Als Erstes fuhr ich mit der Firstbahn, einer Gondelbahn der Jungfraubahnen, hinauf zur First auf 2168 m. First bedeutet zwar ganz einfach Bergkamm, ist aber als Ausflugsziel „first class“. Die Talstation der Firstbahn liegt mitten im Ortszentrum von Grindelwald. Mit Gondeln und anderen Bahnen bin ich schon seit besagten Kindertagen immer gerne gefahren.

Wahrscheinlich habe ich mich damals nicht so sehr für die wunderschöne Landschaft interessiert, aber für die Ziegen und Kühe, denen man damals wie heute dort oben begegnet. Von dort machte ich mich auf zum Bachalpsee, eine Wanderung auf über 2000 Metern Höhe.





Posierende Ziege auf dem Weg zum Bachalpsee

















Auf dem Weg dorthin muss zunächst ein kurzer, aber nicht zu verachtender Anstieg bewältigt werden. Der Wanderweg ist jedoch gut ausgebaut und führt danach leicht auf und ab. Nach ca. einer Stunde erreicht man den Bachalpsee und wird dort durch ein wundervolles Panorama belohnt: im Bachalpsee spiegelt sich wunderschön das Jungfraumassiv.
Den Bachalpsee erreicht man jedoch nicht nur von First aus, sondern auch im Rahmen einer ganztägigen Tour. Sie startet an der Schynigen Platte und führt als klassischer Höhenwanderweg leicht aufwärts zum Faulhorn, wo das älteste Berghotel Europas den Wanderern Kost und Logis bietet. Nach kurzem Abstieg kommt man von dort an den Bachalpsee und weiter zur First. Auf meiner Wanderung fand ich oberhalb des Bachalpsees ein grandioses Plätzchen für ein Picknick, Panoramablick inklusive.
 
Grandioser Platz für ein Picknick: Bachalpsee mit
Blick auf das Jungfraumassiv














Den Bergen so nah
Mein Hotel - im Stil eines typischen urigen Chalets - lag ruhig, ca. 10 Gehminuten vom Ortszentrum von Grindelwald entfernt. Vom Balkon meines Zimmers aus hatte ich einen wundervollen Ausblick auf die Eigernordwand, die noch im August leicht schneebedeckt war.
durch den Film „Nordwand“, übte sie auch auf mich eine große Faszination aus und ich wollte näher an sie und ihren Mythos heran.
 
Der Eiger in Nachmittagssonne
 
 
 
 
 
 
 

 
Das Jungfraujoch – Top of Europe
Am nächsten kommt man der Eigernordwand bei einer Fahrt auf das Jungfraujoch – Top of Europe. Die Bahnfahrt zum höchsten Bahnhof Europas bis auf 3454 m ist schon ein Erlebnis für sich. Die Panoramazüge verkehren auf den Strecken Grindelwald – Kleine Scheidegg und Lauterbrunnen – Kleine Scheidegg. Ich nahm die Kleine Scheidegg von Grindelwald aus in Angriff. Sie liegt zu Füßen von Mönch, Eiger und Jungfrau auf 2061 m. Wie in „Nordwand“ verfilmt, beobachteten dort bereits 1936 Schaulustige, wie in der Wand aus Eis und Fels vier Bergsteiger auf dramatische Weise ums Leben kamen.
Von der Kleinen Scheidegg geht die Fahrt mit der Jungfraubahn durch den Eiger hinauf auf das Jungfraujoch – Top of Europe. An den Zwischenstationen Eigerwand und Eismeer stieg ich aus um durch Fenster im Berg die Aussicht zu genießen. Oben auf dem Jungfraujoch angekommen, war ich begeistert, denn es eröffneten sich von der Aussichtsterrasse Sphinx in 3571 m atemberaubende Ausblicke auf die alpine Wunderwelt aus Eis, Schnee und Fels. Das Sphinx Observatorium ist das Wahrzeichen des Jungfraujochs.
Neben der Sphinx bietet das Jungfraujoch – Top of Europe mit dem Jungfrau Panorama 360° und dem Plateau weitere Aussichtspunkte, von denen aus man die schneebedeckten Berge und den Aletschgletscher bewundern kann.
Ganz oben: Blick auf den Aletschgletscher
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Man sollte sich für das Jungfraujoch genügend Zeit nehmen, denn es bietet über die Aussicht auf die alpine Bergwelt hinaus noch vieles mehr.
Mit Alpine Sensation erlebt man eine audiovisuelle Reise durch die Alpenwelt. Der Erlebnisrundgang ist 250 Meter lang und verbindet die Sphinxhalle mit dem Eispalast. An steilen Stellen wird man von Rollbändern befördert. Mein Highlight von Alpine Sensation waren eine Art Erlebnisnischen, in denen die touristische Entwicklung in den Alpen und die Geschichte der Jungfraubahn inszeniert werden. Beim Bau des Tunnels durch den Eiger wurden Mensch und Maschine durch harte Witterungsbedingungen bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gefordert. Die – größtenteils italienischen – Arbeiter mussten mit einer Durchschnittstemperatur von minus 8°C fertigwerden und waren der Gefahr von Lawinen, Blitzschlag und Stürmen mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 250 km/h ausgesetzt. Leider fielen einige der Arbeiter beim Bau der Bahnstrecke von 1896 bis 1912 diesen Witterungsbedingungen zum Opfer und ließen ihr Leben im Schnee und Eis des Berges. Ihnen wird in Alpine Sensation gedacht.
Am Ende des Erlebnisrundgangs liegt der Eispalast. Er ist eine gewaltige Halle aus dem Gletschereis des Jungfraufirns. Im Eispalast sind bunte, beleuchtete und kristallin wirkende Skulpturen ausgestellt, wegen der Wärmeabstrahlung der Besucher muss er auf minus drei Grad gekühlt werden.
Auf dem Gletscher kann man im Snow Fun – Top of Europe Schlitten, Snow Tubes, Ski oder Snowboards mieten, womit dem Wintersport auch im Sommer nichts im Wege steht.
Der Swiss Chocolate Heaven rundet den Besuch des Jungfraujochs dann noch geschmacklich ab. Hier werden Geschichte und Herstellung von Schokolade von der Kakao-Gewinnung bis zur Produktion der Schokokugel mit Hilfe von interaktiven Elementen dargestellt. Natürlich kann man die Schokolade auch kosten.

Allein auf dem Jungfraujoch – Top of Europe kann man schon einen ganzen Tag verbringen. Ein letztes Mal genoss ich den Blick auf die Weite des Aletschgletschers bevor ich mich mit der Jungfraubahn auf den Rückweg nach Grindelwald machte.
 
Jungfrau Eiger Walk – Wandern entlang der Jungfraubahn
An der Station Eigergletscher stieg ich aus, denn ich wollte das letzte Stück bis zur Kleinen Scheidegg wandern, und zwar über den Jungfrau Eiger Walk.
Thema des Weges ist die Eigernordwand, die sich entlang der Strecke aus verschiedenen Blickwinkeln imposant präsentiert. Die Station Eigergletscher der Jungfraubahn liegt auf 2320 Metern. Talwärts ist die Wanderung leicht. Die Route führt über einen breiten, leicht absteigenden Weg entlang der Ausläufer des Eigergletschers und führt direkt zum Bahnhof Kleine Scheidegg auf 2061 m. Ich brauchte für die Strecke ca. 45 Minuten. Auf halber Strecke gesellte sich unter lautem Glockenläuten eine freundliche Kuhherde zu mir und begleitete mich hinunter bis zur Kleinen Scheidegg, wo ihr Bauer bereits auf sie wartete, um sie zum Melken und für die Nacht zu ihren Stallungen zu bringen.

Kleine Scheidegg, 2061 m
 
 
Ich setzte mich in den nächsten Zug der Jungfraubahn und fuhr zurück nach Grindelwald, glücklich über diesen wunderschönen Tag in den Schweizer Alpen.
Ich bin froh, nach Grindelwald zurückgekehrt zu sein. Die Reise mit all ihren Eindrücken war ein unvergessliches Erlebnis und für mich steht fest, dass ich die Reise noch einmal wiederholen werde, dann vielleicht doch wieder im Winter: zum Schneeschuhwandern!