„Da möchte ich noch
mal hin“, dachte ich, als mir ein Album mit Urlaubsfotos aus meiner Kindheit in
die Hände fiel. Im Winter ging es jedes Jahr nach Grindelwald im Berner
Oberland. An meinen ersten Urlaub dort konnte ich mich nicht erinnern, denn ich
war erst 10 Monate alt.
Als ich das
Fotoalbum durchblätterte, kamen mir jedoch Erinnerungen an spätere Urlaube in
Grindelwald. Es waren Erinnerungen, die alle Sinne einbezogen: Ich sah das Chalet
am Terrassenweg, in dem wir immer wohnten, hörte das Glockenläuten der Kühe,
die im Winter in den Ställen standen und roch die klare Luft der Berge. Ich
fühlte die Kälte des Schnees in meinen Händen, wenn ich Schneebälle formte und
ich schmeckte den Schokoriegel mit den kleinen Mandelstückchen, den mein Vater
mir immer in dem kleinen Bauernladen kaufte.
„Da möchte ich noch
mal hin“, schoss es mir beim Blättern wieder durch den Kopf, „aber dieses Mal
im Sommer.“
Gesagt, getan,
reiste ich also im Sommer nach Grindelwald. Wenn man nicht mit dem Auto
anreisen möchte, gibt es eine andere angenehme Möglichkeit: einen Flug bis
Zürich und von dort aus mit der Schweizer Bahn ca. 2 ½ Stunden nach
Grindelwald. Ab Interlaken beginnt der Zug, teilweise zahnradbetrieben, den
Anstieg und die Berge kommen näher.
Entführung in die
idyllische Schweizer Bergwelt
In Grindelwald
angekommen, machte ich mich auf die Spuren meiner Kindheit: Als Erstes fuhr ich mit der Firstbahn, einer
Gondelbahn der Jungfraubahnen, hinauf zur First auf 2168 m. First bedeutet zwar
ganz einfach Bergkamm, ist aber als Ausflugsziel „first class“. Die Talstation
der Firstbahn liegt mitten im Ortszentrum von Grindelwald. Mit Gondeln und
anderen Bahnen bin ich schon seit besagten Kindertagen immer gerne gefahren.
Wahrscheinlich habe
ich mich damals nicht so sehr für die wunderschöne Landschaft interessiert,
aber für die Ziegen und Kühe, denen man damals wie heute dort oben begegnet.
Von dort machte ich mich auf zum Bachalpsee, eine Wanderung auf über 2000
Metern Höhe.
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Posierende Ziege auf dem Weg zum Bachalpsee
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Auf dem Weg dorthin
muss zunächst ein kurzer, aber nicht zu verachtender Anstieg bewältigt werden.
Der Wanderweg ist jedoch gut ausgebaut und führt danach leicht auf und ab. Nach
ca. einer Stunde erreicht man den Bachalpsee und wird dort durch ein
wundervolles Panorama belohnt: im Bachalpsee spiegelt sich wunderschön das
Jungfraumassiv.
Den Bachalpsee
erreicht man jedoch nicht nur von First aus, sondern auch im Rahmen einer
ganztägigen Tour. Sie startet an der Schynigen Platte und führt als klassischer
Höhenwanderweg leicht aufwärts zum Faulhorn, wo das älteste Berghotel Europas
den Wanderern Kost und Logis bietet. Nach kurzem Abstieg kommt man von dort an
den Bachalpsee und weiter zur First. Auf meiner Wanderung fand ich oberhalb des
Bachalpsees ein grandioses Plätzchen für ein Picknick, Panoramablick inklusive.
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Grandioser Platz für ein Picknick: Bachalpsee mit
Blick auf das Jungfraumassiv
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Den Bergen so nah
Mein Hotel - im
Stil eines typischen urigen Chalets - lag ruhig, ca. 10 Gehminuten vom
Ortszentrum von Grindelwald entfernt. Vom Balkon meines Zimmers aus hatte ich
einen wundervollen Ausblick auf die Eigernordwand, die noch im August leicht
schneebedeckt war.
durch den
Film „Nordwand“, übte sie auch auf mich eine große Faszination aus und ich
wollte näher an sie und ihren Mythos heran.
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Der Eiger in Nachmittagssonne |
Das Jungfraujoch –
Top of Europe
Am nächsten kommt
man der Eigernordwand bei einer Fahrt auf das Jungfraujoch – Top of Europe. Die
Bahnfahrt zum höchsten Bahnhof Europas bis auf 3454 m ist schon ein Erlebnis
für sich. Die Panoramazüge verkehren auf den Strecken Grindelwald – Kleine
Scheidegg und Lauterbrunnen – Kleine Scheidegg. Ich nahm die Kleine Scheidegg
von Grindelwald aus in Angriff. Sie liegt zu Füßen von Mönch, Eiger und
Jungfrau auf 2061 m. Wie in „Nordwand“ verfilmt, beobachteten dort bereits 1936
Schaulustige, wie in der Wand aus Eis und Fels vier Bergsteiger auf dramatische
Weise ums Leben kamen.
Von der Kleinen
Scheidegg geht die Fahrt mit der Jungfraubahn durch den Eiger hinauf auf das
Jungfraujoch – Top of Europe. An den Zwischenstationen Eigerwand und Eismeer
stieg ich aus um durch Fenster im Berg die Aussicht zu genießen. Oben auf dem
Jungfraujoch angekommen, war ich begeistert, denn es eröffneten sich von der Aussichtsterrasse
Sphinx in 3571 m atemberaubende Ausblicke auf die alpine Wunderwelt aus Eis,
Schnee und Fels. Das Sphinx Observatorium ist das Wahrzeichen des
Jungfraujochs.
Neben der Sphinx
bietet das Jungfraujoch – Top of Europe mit dem Jungfrau Panorama 360° und dem
Plateau weitere Aussichtspunkte, von denen aus man die schneebedeckten Berge
und den Aletschgletscher bewundern kann.
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Ganz oben: Blick auf den Aletschgletscher |
Man sollte sich für
das Jungfraujoch genügend Zeit nehmen, denn es bietet über die Aussicht auf die
alpine Bergwelt hinaus noch vieles mehr.
Mit Alpine
Sensation erlebt man eine audiovisuelle Reise durch die Alpenwelt. Der
Erlebnisrundgang ist 250 Meter lang und verbindet die Sphinxhalle mit dem
Eispalast. An steilen Stellen wird man von Rollbändern befördert. Mein
Highlight von Alpine Sensation waren eine Art Erlebnisnischen, in denen die
touristische Entwicklung in den Alpen und die Geschichte der Jungfraubahn
inszeniert werden. Beim Bau des Tunnels durch den Eiger wurden Mensch und
Maschine durch harte Witterungsbedingungen bis an die Grenze ihrer
Belastbarkeit gefordert. Die – größtenteils italienischen – Arbeiter mussten
mit einer Durchschnittstemperatur von minus 8°C fertigwerden und waren der
Gefahr von Lawinen, Blitzschlag und Stürmen mit einer Windgeschwindigkeit von
bis zu 250 km/h ausgesetzt. Leider fielen einige der Arbeiter beim Bau der Bahnstrecke
von 1896 bis 1912 diesen Witterungsbedingungen zum Opfer und ließen ihr Leben
im Schnee und Eis des Berges. Ihnen wird in Alpine Sensation gedacht.
Am Ende des
Erlebnisrundgangs liegt der Eispalast. Er ist eine gewaltige Halle aus dem
Gletschereis des Jungfraufirns. Im Eispalast sind bunte, beleuchtete und
kristallin wirkende Skulpturen ausgestellt, wegen der Wärmeabstrahlung der
Besucher muss er auf minus drei Grad gekühlt werden.
Auf dem Gletscher
kann man im Snow Fun – Top of Europe Schlitten, Snow Tubes, Ski oder Snowboards
mieten, womit dem Wintersport auch im Sommer nichts im Wege steht.
Der Swiss Chocolate
Heaven rundet den Besuch des Jungfraujochs dann noch geschmacklich ab. Hier
werden Geschichte und Herstellung von Schokolade von der Kakao-Gewinnung bis
zur Produktion der Schokokugel mit Hilfe von interaktiven Elementen
dargestellt. Natürlich kann man die Schokolade auch kosten.
Allein auf dem
Jungfraujoch – Top of Europe kann man schon einen ganzen Tag verbringen. Ein
letztes Mal genoss ich den Blick auf die Weite des Aletschgletschers bevor ich
mich mit der Jungfraubahn auf den Rückweg nach Grindelwald machte.
Jungfrau Eiger Walk
– Wandern entlang der Jungfraubahn
An der Station
Eigergletscher stieg ich aus, denn ich wollte das letzte Stück bis zur Kleinen
Scheidegg wandern, und zwar über den Jungfrau Eiger Walk.
Thema des Weges ist
die Eigernordwand, die sich entlang der Strecke aus verschiedenen Blickwinkeln
imposant präsentiert. Die Station Eigergletscher der Jungfraubahn liegt auf
2320 Metern. Talwärts ist die Wanderung leicht. Die Route führt über einen
breiten, leicht absteigenden Weg entlang der Ausläufer des Eigergletschers und
führt direkt zum Bahnhof Kleine Scheidegg auf 2061 m. Ich brauchte für die
Strecke ca. 45 Minuten. Auf halber Strecke gesellte sich unter lautem
Glockenläuten eine freundliche Kuhherde zu mir und begleitete mich hinunter bis
zur Kleinen Scheidegg, wo ihr Bauer bereits auf sie wartete, um sie zum Melken
und für die Nacht zu ihren Stallungen zu bringen.
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Kleine Scheidegg, 2061 m |
Ich setzte mich in
den nächsten Zug der Jungfraubahn und fuhr zurück nach Grindelwald, glücklich
über diesen wunderschönen Tag in den Schweizer Alpen.
Ich bin froh, nach
Grindelwald zurückgekehrt zu sein. Die Reise mit all ihren Eindrücken war ein
unvergessliches Erlebnis und für mich steht fest, dass ich die Reise noch
einmal wiederholen werde, dann vielleicht doch wieder im Winter: zum
Schneeschuhwandern!